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Beitrag vom 03.08.2010
Me too - Wer will schon normal sein - ein Film von Álvaro Pastor und Antonio Naharro
Miriam Hutter
Die Schauspielerin Lola Dueñas und Pablo Pineda, dessen Rolle seinem eigenen Leben nachempfunden wurde, brillieren in diesem anrührenden Film zum Thema Down-Syndrom. Nicht umsonst haben die...
...beiden für ihre Leistung schon diverse Preise erhalten.
Der 34-jährige Daniel (Pablo Pineda), der in Madrid lebt, führt ein "ganz normales Leben": gerade hat er sein Studium abgeschlossen und seine erste Arbeit gefunden. Er sieht sich Pornos auf dem PC zuhause an und geht mit seinem Bruder regelmäßig ins Fitnessstudio.
Das Außergewöhnliche an ihm ist, dass er ein Chromosom zu viel besitzt, er hat Trisomie 21, das sogenannte Down-Syndrom.
Zwar hat Daniel es geschafft mit seinem Universitätsabschluss seine "Normalität" unter Beweis zu stellen, nur die Umwelt hat Schwierigkeiten damit, diese als solche zu akzeptieren.
Als besonders problematisch wird dabei sein sexuelles Begehren gesehen, das sich, so drückt es der Bruder Daniels aus, nur auf jemanden mit ebenfalls einem Chromosom zuviel richten sollte. Doch Daniel hat sich in die gleichaltrige Laura (Lola Dueñas) verliebt, die 46 Chromosomen besitzt, also eins "zu wenig". Beide arbeiten in einem staatlichen Büro für Behinderte. Laura, die ihn zunächst mit einem Klienten verwechselt, schließt Daniel aber immer mehr in ihr Herz.
Zwei weitere Liebesbeziehungen werden dieser Freundschaft, von Daniel zart in eine romantische Richtung gelenkt, gegenübergestellt:
Zum einen die zwischen Luisa (Lourdes Naharro) und Pedro (Daniel Parejo), die sich in ihrer Tanzgruppe kennen gelernt haben. Zum anderen die Beziehung der Leiterin dieser Gruppe, Reyes (María Bravo), mit Daniels Bruder Santi (Antonio Naharro). Während die letzteren beiden ein Kind erwarten und heiraten werden, müssen Luisa und Pedro flüchten, um zusammen sein zu können. Beide sind "Down-Syndromler" und Luisa hat eine überbesorgte Mutter, die diese Beziehung unterbinden will.
Daraus ergibt sich eine der schönsten Sequenzen des Films: die gemeinsame Flucht, mit einer Hochzeitstorte in der Hand, gefolgt von einer Tanz-Jam-Session auf der Straße, ist einfach zum Dahinschmelzen.
Ernster wird die Sache, als Daniel und Lola das Paar im Hotel finden: werden sie verraten, oder können sie hier ihre erste Liebesnacht miteinander verbringen? Daniel, als Verbindungsglied zwischen "Normalität" und "Behinderung" ermöglicht letzteres, allerdings nicht ohne zuvor einen höchst amüsanten Aufklärungsunterricht abzuhalten.
Die Kamera zeigt uns den Anfang der gemeinsam verbrachten Nacht, in dem sie die beiden in einem intimen Close-Up einfängt, ohne sie jedoch bloßzustellen. Und ganz klar bekommen die ZuschauerInnen das Gefühl, dass diese beiden zusammen gehören.
So einfach stellt sich dieses Gefühl in Bezug auf die Beziehung zwischen Lola und Daniel dagegen nicht ein. Irgendwie unangenehm berührt ist man in den Momenten, in denen Lola mit den romantischen Avancen umzugehen versucht, die Daniel ihr macht. Die Schauspielerin versteht es in berührender Weise, den inneren Konflikt durch ihr Minenspiel sichtbar zu machen. Zwar ist sie es, die Daniel an einer Stelle fragt, warum er überhaupt normal sein möchte, doch die Grenze zwischen Menschen mit oder ohne "Behinderung" scheint vor allem von der "normalen" Seite aus schwieriger überwindbar zu sein.
Wird es Lola gelingen?
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© Movienet |
Die Stärke des Films liegt darin, dass er Probleme offen beim Namen nennt. Das ist nicht immer leicht verdaulich, löst andererseits aber häufig ein befreiendes Lachen auf der ZuschauerInnenseite aus.
Der subtile Humor, der sich durch den gesamten Film zieht, verleiht diesem seinen Charme: Es findet sich zwar nicht für alles eine Lösung, aber das gemeinsame Lachen hilft dabei, daran nicht zu verzweifeln.
AVIVA-Tipp: Mit Humor und Einfühlsamkeit werden in "Me Too" die Schwierigkeiten des Protagonisten Daniel dargestellt, der sich mit Down-Syndrom und Universitätsabschluss zwischen zwei Welten bewegt.
Vor allem das durch seine Authentizität beeindruckende Schauspiel der beiden HauptdarstellerInnen machen diesen Film so sehenswert.
Zu den Regisseuren: Álvaro Pastor & Antonio Naharro arbeiten seit 14 Jahren zusammen. Pastor wurde 1972 in Madrid geboren und arbeitet als Drehbuchautor und Regisseur für Film, Fernsehen und in der Werbung. Er war Regisseur und Produzent mehrerer Kurzfilme, darunter auch "Invulnerable" ("Unverwundbar", 2005), der mehr als 40 internationale Preise erhielt und in dem Naharro die Hauptrolle spielte.
Naharro wurde 1968 in Albacete geboren. Er machte eine Ausbildung zum Schauspieler und machte ein Diplom an der Madrider Schule für Gestalttherapie.
Er arbeitete als Schauspieler und Drehbuchautor für Kurzfilme, bevor er zusammen mit Pastor den Kurzfilm "Uno más, uno menos" produzierte und inszenierte, der zahlreiche internationale Preise gewann und der sich ebenfalls mit dem Thema der Behinderung auseinandersetzt.
Bei der Entwicklung der Rolle von Daniel haben sich die Regisseure durch die Geschichte Pablo Piedas inspirieren lassen, der tatsächlich der erste "Down-Syndromler"-Akademiker ist.
Awards"Me Too", der bereits auf vielen Festivals gefeiert wurde, gewann in San Sebastian die silberne Muschel für die beste Schauspielerin (Lola Dueñas, bekannt aus den Filmen von Pedro Almodóvar) und den besten Schauspieler (Pablo Pineda) sowie zweimal den Spanischen Filmpreis Goya 2010 für die beste Hauptdarstellerin und die beste Musik. Darüber hinaus lief er im Wettbewerb von Sundance sowie als Eröffnungsfilm des Filmfest München. Beim Filmfest Brüssel 2010 wurde "Me Too" mit dem Golden Iris Award ausgezeichnet.
Me Too - Wer will schon normal sein?Originaltitel: Yo, también
Spanien 2009
103 Minuten
Drehbuch und Regie: Álvaro Pastor, Antonio Naharro
DarstellerInnen: Lola Dueñas, Pablo Pineda, Antonio und Lourdes Naharro, Isabel García Lorca, Daniel Parejo u.a.
Verleih: Movienet Film GmbH
Kinostart: 5. August 2010
www.metoo-derfilm.deWeiterlesen auf AVIVA-Berlin:Ihr Name ist Sabine - Ein Film von Sandrine Bonnaire